Newsletter #21 - Zwischen Rekorden und Risiken: Das Bewertungsniveau des S&P 500 im Check (Januar 2025)

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Stell dir vor, du fährst auf einer kurvigen Bergstraße, die sich immer weiter in die Höhe windet. Der Blick ist atemberaubend, doch je höher du kommst, desto mehr fragst du dich: Ist die Straße sicher, oder steht ein gefährlicher Abgrund bevor?
Genau so fühlen sich viele Anleger beim Blick auf den S&P 500 – der vielleicht bekannteste Aktien-Index weltweit – der sich aktuell wieder nahe seinem Allzeithoch bewegt. Steckt hinter den hohen Kursen eine solide Grundlage oder sind die Kurse etwas enteilt?
Im heutigen Newsletter erfährst du, wie du die aktuellen Höchststände am US-Aktienmarkt richtig einordnest und mit klarem Kopf durch den Markt navigierst.
Los geht’s!
Warum das Erreichen eines neuen Allzeithochs die falsche Perspektive liefert
Kurse nahe eines neuen Allzeithochs sollten dich erstmal nicht beunruhigen – sie sind ein ganz normaler Zustand in einem seit 1950 langfristig steigenden US-Aktienmarkt (sh. Chart unten).

Ein Blick auf die Zahl der neuen Allzeithochs seit 2015 untermauert diesen Eindruck: Allein im Jahr 2024 hat der S&P 500 ganze 57-Mal einen neuen Höchststand erreicht (sh. Chart unten) – und seit 2015 hat der Index mehr als 180% an Wert gewonnen.

Ein neues Allzeithoch markiert zwar einen neuen Höchststand, aber diese Tatsache alleine gibt keine Auskunft darüber, ob der Aktienmarkt eher hoch, fair oder niedrig bewertet ist. Zum Thema Allzeithoch kann ich dir folgenden Artikel ans Herz legen: Link.
Das aktuelle Bewertungsniveau des S&P 500 im historischen Vergleich
Wie können wir nun beurteilen, ob die aktuell hohen Kurse auf einer soliden Grundlage stehen? Im Folgenden stelle ich dir einige der wichtigsten Bewertungskennzahlen des S&P 500 vor – darunter das KGV, das Shiller-KGV und die PEG-Ratio. Auch wenn diese Begriffe möglicherweise neu für dich sind, geben sie dir ein gutes Grundverständnis, dass der verengte Blick auf den aktuellen Kurs einer Geldanlage nur die halbe Geschichte erzählt.
Kennzahl 1: KGV
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine der bekanntesten Kennzahlen, um Aktien oder einen Index wie den S&P 500 zu bewerten. Es zeigt, wie teuer (oder günstig) eine Aktie im Verhältnis zum Gewinn des Unternehmens ist, den dieses in einem bestimmten Zeitraum erwirtschaftet. Du kennst bestimmt den Spruch: "Price is what you pay, value is what you get." An der Börse ist es ebenso: Du bezahlst den aktuellen Kurs einer Aktie als Preis, welcher sich entweder als Schnäppchen entpuppt oder als etwas, für das du zu viel bezahlst.
Ein einfaches Beispiel: Wenn ein Unternehmen in einem Jahr 10 Milliarden US-Dollar Gewinn erzielt und der aktuelle Börsenwert (= Marktkapitalisierung) bei 200 Milliarden US-Dollar liegt, ergibt sich ein KGV von 20 (200/10=20). Das KGV kann für eine Aktie gebildet werden oder auch für einen Index wie den S&P 500. Dann wird eben nicht der Gewinn eines Unternehmens betrachtet, sondern die Gewinnsituation aller Unternehmen, die im S&P 500 enthalten sind.
Aktuell liegt das KGV des S&P 500 bei 30,6. Das bedeutet, dass Anleger bereit sind, zum aktuellen Kurs durchschnittlich das 30,6-fache des Gewinns zu bezahlen, den alle Unternehmen im S&P 500 in den letzten 12 Monaten erwirtschaftet haben (sh. Chart unten). Es lässt sich zunächst festhalten, dass dies deutlich höher ist als der langfristige historische Durchschnitt (16) und der Median (15).

Das KGV in unserem Beispiel basiert auf den Gewinnen aller Unternehmen im S&P 500 in den letzten 12 Monaten. Doch an der Börse zählt vor allem eines: die Zukunft. Historische Daten geben zwar Orientierung, aber entscheidend ist, wie die Gewinne sich zukünftig entwickeln. Deshalb lohnt sich ein Blick auf das Forward-KGV. Anstatt in den Rückspiegel zu schauen, betrachtet es die Gewinnerwartungen der Unternehmen für die nächsten 12 Monate. Dabei setzt man den aktuellen Börsenwert ins Verhältnis zu den Gewinnen, die in den nächsten 12 Monaten erwartet werden.
Aktuell liegt das Forward-KGV des S&P 500 bei 22,2. Damit liegt es sowohl über dem langfristigen Durchschnitt von 16 (sh. Chart 1 unten) als auch über den gleitenden Durchschnitten der letzten 5 Jahre (türkise Linie) und 10 Jahre (rote Linie), die beide knapp über 20 liegen (sh. Chart 2 unten).


Was bedeutet das nun? Prinzipiell deutet das auf ein vergleichsweise hohes Bewertungsniveau des S&P 500 hin. Warum? Sowohl das historische als auch Forward-KGV liegen deutlich über ihren langfristigen Durchschnitten. Beim Forward-KGV ist die Distanz zu den jüngeren gleitenden Durchschnittswerten zwar ebenfalls höher, jedoch etwas weniger stark ausgeprägt.
Ein entscheidender Einflussfaktor auf das aktuelle Bewertungsniveau sind die sogenannten "Magnificent 7" ("Mag-7") – ein Begriff, der die Tech-Giganten Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla beschreibt. Obwohl der S&P 500 aus den 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA besteht, dominieren die "Mag-7" zunehmend. Sie machen inzwischen mehr als 30% des gesamten Börsenwerts des S&P 500 aus – im Jahr 2014 lag ihr Anteil noch bei unter 10% (sh. Chart unten).

Warum ist das wichtig? Die 7 Tech-Giganten weisen häufig zurecht sehr hohe KGVs auf – ein Resultat ihrer attraktiven Geschäftsmodelle und ihres schnellen Wachstums. Dadurch treiben sie das durchschnittliche KGV des S&P 500 deutlich nach oben. Für Unternehmen mit positiven Zukunftsaussichten lohnt es sich aus Anlegersicht tendenziell auch zu einem höheren KGV zu kaufen. Ohne die "Mag-7" läge das Forward-KGV des S&P 500 nur noch bei 19 (sh. Chart unten) und somit unterhalb der jüngsten gleitenden 5- und 10-Jahresdurchschnitte.

Kennzahl 2: Shiller-KGV (CAPE-Ratio)
Das KGV ist ein guter Ausgangspunkt, hat jedoch seine Schwächen. Es betrachtet i.d.R. lediglich die Gewinne eines 12-Monatszeitraums und kann dadurch kurzfristige zyklische Schwankungen verzerren. Um solche Verzerrungen auszugleichen, entwickelte der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller eine alternative Methode: das sogenannte Shiller-KGV (CAPE-Ratio). Dieses berücksichtigt die inflationsbereinigten Unternehmensgewinne der letzten 10 Jahre – es bietet dadurch eine längerfristige und realitätsnahere Perspektive. Derzeit liegt das Shiller-KGV bei 37 und wie man am Chart erkennen kann auch über den historisch üblichen Werten (sh. Chart unten).

Der Wert von 37 ist vergleichbar mit den Höchstständen während der Dotcom-Blase um das Jahr 2000 und des Aktienbooms nach COVID-19 im Herbst 2021.
Kennzahl 3: PEG-Ratio
Ein weiterer Grund, das KGV nicht isoliert zu betrachten, ist seine Schwäche, das zukünftige Gewinnwachstum eines Unternehmens nicht zu berücksichtigen. Ein niedriges KGV mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, aber ohne nennenswertes Gewinnwachstum könnte es dennoch eine schlechte Investition sein. Umgekehrt kann ein hohes KGV gerechtfertigt sein, wenn die Gewinne des Unternehmens schnell wachsen – gute Qualität hat eben seinen Preis. Genau hier setzt die PEG-Ratio an: Es nimmt das KGV und setzt es in Verhältnis zum Gewinnwachstum in der Zukunft.
Die PEG zeigt also, ob die Bewertung einer Aktie durch das künftige Gewinnwachstum des Unternehmens gerechtfertigt ist. Die Statistik, die ich für den S&P 500 heranziehe, betrachtet die erwarteten Gewinne für die nächsten 5 Jahre. Eine PEG-Ratio unter 1 gilt als (sehr) günstig. Aktuell liegt sie für den S&P 500 bei 1,2 (sh. Chart unten), was auf eine moderate und keine übermäßig Bewertung in Anbetracht des prognostizierten Wachstums hinweist.

Sie spiegelt also die Erwartung wider, dass die Unternehmen im S&P 500 in den kommenden Jahren ein solides Gewinnwachstum erzielen werden. Sollten diese Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen werden, wäre das aktuelle Bewertungsniveau gerechtfertigt.
Kennzahl 4: Aktienrendite vs. Anleihenrendite
Die Attraktivität eines Investments in den Aktienmarkt hängt immer davon ab, wie es im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten abschneidet. Du könntest dein Geld schließlich auch anderweitig investieren, z.B. in Immobilien, Uhren, Kunst, etc. Besonders wichtig für Anleger an den Kapitalmärkten ist jedoch der Vergleich zwischen Aktien und sog. Anleihen.
Anleihen sind ein komplexeres Thema, worauf wir nicht im Detail eingehen brauchen. Dennoch möchte ich dir ein wichtiges Grundverständnis zu ihnen vermitteln und was Aktien damit zu tun haben: Die 10-jährigen US-Staatsanleihen gelten weitläufig als eine der sichersten Anlageformen an der Börse, da sie von der US-Regierung garantiert werden und somit ein geringes Ausfallrisiko haben. Während der Laufzeit von 10 Jahren erhalten Anleger regelmäßige Zinszahlungen, und am Ende bekommt man sein ursprüngliches Kapital zurück.
Die entscheidende Frage, die sich Anleger am Kapitalmarkt stellen, lautet daher: Sind Aktien derzeit attraktiver als Anleihen? Um das zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die Renditen beider Anlageklassen. Aktuell bieten 10-jährige US-Staatsanleihen eine Rendite von etwa 4,6% (sh. Chart unten) – ein Wert, der als Vergleichsmaßstab für die erwarteten Gewinnrenditen des Aktienmarkts dient.

Die erwartete Gewinnrendite des S&P 500 lässt sich als Kehrwert des KGVs berechnen. Mit einem aktuellen KGV von 30,6 ergibt sich eine Gewinnrendite von etwa 3,3% (1/30,6=3,3%). Diese liegt unter der Rendite von 4,6%, die derzeit von 10-jährigen US-Staatsanleihen geboten wird.
Der folgende Chart zeigt, wie sich diese Differenz zwischen der Gewinnrendite des Aktienmarkts (heute bei 3,3%) und der Anleihenrendite (heute bei 4,6%) im Zeitverlauf entwickelt hat:

Einfach gesagt: Der aktuelle Renditevorteil von Aktien gegenüber Anleihen ist vergleichsweise gering. In der Vergangenheit lag dieser Unterschied häufig bei mehreren Prozentpunkten zugunsten von Aktien. Für die Geldanlage in Aktien sollte man für ein höheres Risiko mit entsprechend höheren Renditen belohnt werden. Wenn jedoch Anleihen ähnliche oder sogar bessere Renditen bieten, können Anleger vermehrt auf alternative Anlagen oder Tagesgeldkonten ausweichen.
Zusammenfassung der Kennzahlen
Die Analyse der Bewertungskennzahlen des S&P 500 zeigt ein gemischtes Bild:
- KGV: 30,6 – deutlich über dem historischen Durchschnitt (16), was auf ein hohes Bewertungsniveau hinweist.
- Forward KGV: 22,2 – klar über dem langfristigen Durchschnitt (16), jedoch weniger stark über dem gleitenden Durchschnitt der letzten 5 und 10 Jahre (jeweils knapp über 20).
- Forward KGV, exkl. "Mag-7": 19 – unter den gleitenden Durchschnitten der letzten 5 und 10 Jahre und näher am historischen Durchschnitt von 16, was die Verzerrung durch die erfolgreichen "Mag-7" verdeutlicht.
- Shiller-KGV: 37 – weit über dem langfristigen Durchschnitt, vergleichbar mit den Höchstständen vor der Dotcom-Blase und nach dem COVID-19-Boom.
- PEG-Ratio: 1,2 – ein moderater Wert, der darauf hinweist, dass in den kommenden Jahren mit einem ordentlichen Gewinnwachstum der Unternehmen im S&P 500 gerechnet wird.
- Aktien- vs. Anleiherendite: Die erwartete Aktienrendite (3,3%) liegt aktuell unter der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen (4,6%), was Anleihen relativ zu Aktien attraktiver wirken lässt.
Was bedeutet das nun für dich als Anleger?
Die aktuellen Bewertungen des S&P 500 sind hoch, zumindest gemessen an den meisten traditionellen Kennzahlen. Gleichzeitig signalisiert die PEG-Ratio von 1,2, dass sie nicht extrem überzogen sind – vorausgesetzt, die prognostizierten Gewinne treten ein. Am Ende sind die betrachteten Kennzeichen nur ein Hilfsmittel, keine Garantie und kein sicheres Signal. Sie sollten nie isoliert und ohne Kontext betrachtet werden, da sie zahlreiche Schwächen haben, wie wir gesehen haben.
Wichtig ist: Märkte können über längere Zeiträume höher bewertet bleiben, insbesondere wenn Faktoren wie solides Gewinnwachstum und attraktive Geschäftsmodelle der Top-Unternehmen dies stützen ("high can go higher"). Gleichzeitig sind hohe Bewertungen kein sicheres Zeichen für sinkende Kurse, genauso wenig wie niedrige Bewertungen automatisch steigende Kurse bedeuten ("low can go lower").
Wichtige Punkte für dich als Anleger:
- Allzeithochs sind ein normaler Zustand in einem langfristig steigenden Markt – lass dich davon nicht abschrecken. Wichtig ist vielmehr der Blick auf die Bewertungsniveaus und die Robustheit der künftigen Gewinnerwartungen.
- Die aktuell höheren Bewertungen können gerechtfertigt sein, mahnen jedoch zur Vorsicht, d.h. für konservative Anleger: im aktuellen Umfeld nicht zu übermütig werden. Hohe Bewertungen können dazu führen, dass die zukünftigen Renditen des S&P 500 moderater ausfallen. Plane das in deine Überlegungen und Entscheidungen mit ein.
- Auch in einem hoch bewerteten Gesamtmarkt gibt es Chancen auf Unternehmensebene, falls einzelne Aktien schlechter gelaufen sind als der Markt, jedoch ausgezeichnete Zukunftsaussichten aufweisen. Besonders interessant: Unternehmen mit soliden Geschäftsmodellen, stabilen / steigenden Cashflows und gesunder Bilanz. Solche Unternehmen sind widerstandsfähiger gegenüber wirtschaftlichen Schwankungen und erholen sich meist schneller.
Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Samstag.
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